Faszination Tollensesee

By Veröffentlich am: 28. April 2006

Rund um den Tollensesee bei Neubrandenburg lassen sich Kultur und Natur mit dem Fahrrad entdecken.

Rund um den Tollensesee erbaute Mutter Natur ein paradiesisches Domizil aus den grünen Dächern von Eichen und Buchen, aus dem silbrig schimmernden Wellenteppich des Sees und aus der satten Palette spätsommerlicher Felder auf den umgebenden Hügeln. Beim Besuch in der Tollenseseeregion kamen wir sofort ins Schwärmen, denn wir fanden Ruhe in natürlicher Belebtheit, entdeckten Neues an alltäglichen Wegen und spürten herzliche Freundlichkeit im gemütlichen Mecklenburger Dialekt unserer Gastgeber. Überhaupt sind die Neubrandenburger wohltuend geduldig und bodenständig ihrem vor den Toren der Stadt still fließenden See tief verbunden.

Der ist, am Nordrand der Mecklenburgischen Seenplatte liegend, mit seiner 17,35 Quadratkilometer großen Fläche einer der größten Seen des Landes. Umgeben von hohen Hügeln eiszeitlicher Moränen erstreckt sich das Seebecken über 12 Kilometer Länge und erreicht bis zu 33 Meter in der Tiefe. Wir beschlossen, den Tollensesee im Spätsommer zu erkunden, an diesen ruhigen, sonnenschweren Tagen, die schon mit dem goldenen Herbst anbändeln.

Der Kulturpark

Vom Stadtzentrum kommend, empfiehlt sich der Einstieg in den 35 Kilometer langen Tollensesee-Radrundweg durch den Kulturpark. Er ist einer von vielen grünen und angenehm schattigen Oasen Neubrandenburgs, etwa 35 Hektar groß. Die Geschichte seiner Entstehung beginnt im Jahr 1820. Aus der ehemaligen Bruchlandschaft am Nordufer des Sees entstand im Laufe der Jahrzehnte ein Park, der direkt bis an die historische Innenstadt mit dem Stargarder Tor reicht.

In seiner heutigen Form stellt er ein einmaliges Zeugnis der Parkgestaltung des 20. Jahrhunderts dar. Neben ausgedehnten Wegenetzen, flankiert von modernen Skulpturen, gibt es Themengärten zu Rosen, Moorbeetpflanzen und Magnolien, ein Tiergehege und Spielplätze. Außerdem baute hier im Park das Land Mecklenburg-Vorpommern 1996 den modernsten Hallenkomplex für Sport- und Kulturveranstaltungen: das Jahnsportforum. Verführerische »Mudder Schulten«

Das Fahrgastschiff als alternative zum Fahrrad

Der Einstieg zum eigentlichen Rad- und Wanderrundweg beginnt für uns am Anleger der Fahrgastschifffahrt. Hier schaukelt die „Mudder Schulten“ sanft am Festmacher, während die Crew Oberdeck und Fahrgastraum für die nächsten Seefahrer gemütlich herrichtet. Aus der Kombüse duftet es verführerisch nach frischem Kaffee und süßem Backwerk. Aber wir bleiben standhaft, heute wird geradelt! Dennoch informieren wir uns am Aushang darüber, dass die „Mudder Schulten“ alle sehenswerten Ausflugspunkte ansteuert, die auch auf unserem Tourenplan stehen.

Wir radeln immer nahe am Ufer entlang. Das Glitzern des Sees durch alte Baumriesen und über den Schilfgürtel übt eine ganz besondere Faszination auf uns aus. Sehr reizvoll sind auch der Stargarder Bruch, durch den Linde- und Gätenbach sowie der Steepengraben zum See hin münden. Diese Zuflüsse, wie auch der später noch zu querende Nonnenbach gehören zum riesigen Wassereinzugsgebiet des Tollensesees, das Experten mit 515 Quadratkilometer angeben. Sowohl die zum See fließenden Bäche als auch der Tollensesee selbst bewässerten vor Jahrhunderten Neubrandenburgs mittelalterliche Wehranlagen. Zwei Wälle und drei Gräben sowie die 2,3 Kilometer lange Stadtmauer mit ihren Wiekhäusern und dem Fangelturm machten die Umflutung noch sicherer.

Wassersportzentrum

Unser nächster Haltepunkt ist das 1999 eröffnete Wassersportzentrum, eine moderne maritime Basis, die den Binnenwassersportler nichts vermissen lässt. Der Sportboothafen kann auf 140 Liegeplätze mit Trinkwasser- und Stromanschluss verweisen. Dazu findet man im langgestreckten Hauptgebäude vom Tretboot über den Ruderkahn bis zum Angelkutter mit Fishfinder oder der Yacht mit Skipper alles für den Bootsverleih, einen Anglershop, ein echtes Seebärenrestaurant und Sportlerunterkünfte. Zwischen den Uferbäumen wurde ein Caravanstellplatz eingerichtet. Wer ohne Fahrrad anreist, kann sich seinen Drahtesel hier sehr preiswert ausleihen, einschließlich Kinderrad, -anhänger oder -sitz.
Wir schauen uns im Hafen und auf der gepflegten Anlage um und entdecken auf einem Podest einen museal hergerichteten Originaltorpedo. Eine Schautafel erklärt uns den Zusammenhang: Weit draußen im See stand bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges eine Torpedoversuchsstation, ein dreigeschossiges Gebäude mit Beobachtungsturm. Heute erfasst unser Blick nur ein stark mit Gebüsch bewachsenes Inselchen weit vor der Hafeneinfahrt. Die Natur mit Erlen und Binsen hat sich die knapp aus dem Wasser ragenden Gebäudereste wieder zurückerobert – ein ausgesprochen friedliches Bild!

Augustabad

Nach einer kurzen Fahrstrecke durch ruhige Siedlungsstraßen erreichen wir den nächsten Höhepunkt des Rundkurses, das Augustabad. Schon zur frühen Vormittagsstunde wird uns sofort klar: die Neubrandenburger lieben ihre Strandbäder. Dieses ist sehr gut besucht, wie die Parkflächen für Fahrräder zeigen, aber wir bemerken keine Spur von mallorquinischer Gedrängtheit oder dem Sound rappelvoller Ostseestrände. Die Badegäste verteilen sich in der ausgedehnten Parkanlage mit schattigen Bäumen und ausgedehnten Rasenflächen oder direkt am Sandstrand. Dafür sind die Anlagen wie Trimm-dich-Pfad, Minigolf, Bocciarundbahn, Kinderspielgeräte und Grillplatz eher bevölkert.
Bei freiem Eintritt entrichtet man nur bei Bedarf für Schließfächer, Fahrrad- oder Spielgeräteverleih eine Gebühr. An ausgewiesenen Uferzonen wachen Schwimmmeister über die Sicherheit der großen und kleinen Badegäste. Vor einigen Jahren wurde das Augustebad mit der »Blauen Europa Flagge« für hervorragendes Umweltmanagement ausgezeichnet.
Aussicht von der Behmshöhe

Abgekühlt nehmen wir den nächsten Abschnitt bis zum Aussichtsturm in Angriff. Schon nach wenigen Metern Siedlungsstraße hat uns der tiefe, ruhige Wald des Nordostufers wieder, hier Nemerower Holz genannt. Ein verzweigtes Wegenetz führt durch den Mischwald, dominiert von alten Rotbuchen. Es wird hügelig, auch in Ufernähe. Die steilen Moränenhänge rücken enger an den See.

Start am Waldportal

Startpunkt aller ausgeschilderten Rad- und Wanderwege durch das Holz zwischen Augustabad und dem Dörfchen Klein-Nemerow ist das Waldportal. Hier weisen Infotafeln auf alles Wissenswerte hin und bieten auf einer Übersichtskarte die nötige Orientierung. So kann auch der Ortsunkundige beispielsweise die Suhlquelle finden, die der »Neubrandenburger Verschönerungsverein« um 1877 mit einer Einfassung versah. Nach 1945 in Vergessenheit geraten, wurde sie erst 1996 wiederentdeckt, entschlammt und neu hergerichtet. Auch zu »Rillensteinen« oder einem Hügelgrab wird man informativ geleitet. Ein Höhepunkt, auch im ganz wörtlichen Sinne, ist für uns der Aussichtsturm Behmshöhe.
Hoch über dem dicht bewaldeten Ufer erhebt sich das 34 Meter hohe Bauwerk des Turmes und gewährt nach 111 Treppenstufen einen atemberaubenden Blick über den Tollensesee, über das Meer aus alten Baumkronen bis zur Stadtsilhouette nach Norden hin. Den Turm initiierte 1897 der damalige »Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs« und konnte den fertigen Bau 1905 den Einwohnern und Gästen übergeben.

Leider verfiel das Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg, da große Teile des Nemerower Holzes zum militärischen Sperrgebiet erklärt wurden. Erst nach der Beendigung der militärischen Aktivitäten konnte der inzwischen auf die Landesdenkmalsliste gesetzte Turm restauriert und 1995 wieder als öffentliches Ausflugsziel genutzt werden.

Erholungspause

Bis zum Ortsteil Klein Nemerow bieten sich auf dem Uferweg zahlreiche Bänke zum Ausruhen und Schauen an, etwa in der Mitte dieser Wegstrecke auch das Schutzhäuschen »Alte Jagdhütte«, wo wir ein romantisches Picknick abhalten. Sobald sich vor Klein Nemerow der Wald lichtet, mündet der Radweg direkt an der Badewiese in den Naturlehrpfad ein, mit übersichtlichen Schrifttafeln zu Fauna und Flora dieses Landschaftsschutzgebietes. Aus unserer Karte erfahren wir, dass es noch zwei weitere Lehrpfade entlang des Ufers gibt: bei Tollenseheim und bei Alt Rehse. Beide werden wir nicht direkt befahren, Interessenten erreichen sie aber vom Radweg aus leicht zu Fuß.
Klein Nemerow ist ein schmuckes Erholungsörtchen am See, und obwohl es nicht weit von Neubrandenburger und Neustrelitzer Stadtzentrum entfernt liegt, bietet es dörfliche Idylle und Behaglichkeit. Hoch über dem Fahrgastschiff-Anleger thront das gemütliche »Seehotel Heidehof«. Das Hotel und weitere Pensionszimmer im Ort laden direkt zum längeren Verweilen ein. Wieder lassen wir die Räder kurz stehen und umrunden zu Fuß die historischen Ruinen der Johanniter-Comturei.

Bornmühle

In Richtung Bornmühle verändert sich das Streckenprofil, es wird noch hügeliger, der Weg windet sich vom steilen Ufer etwas weg über dem Heimchenberg und am Gnagelberg entlang, die 24 und 57 Meter über dem Seespiegel liegen. Das beschert uns wiederum schöne Aussichten. Allen, die für den landschaftlich wie kulturhistorisch geprägten Rundweg mehr als einen Tag Zeit mitgebracht haben, empfehlen wir das heutige Etappenende im Hotel »Bornmühle«.
Von hier aus spaziert es sich angenehm bis zum Naturschutzgebiet Nonnenhof, das als spitzes Landdreieck Tollensesee und Lieps voneinander trennt. Hier bietet sich auch ein Bad im See an. In unmittelbarer Nähe des Hotels erstreckt sich das noch junge Golfareal des Golfclubs Mecklenburg-Strelitz. Der 9-Loch-Kurzplatz mit Driving Ranch und Pratice Green ist wegen des Geländeprofils für Neueinsteiger wie für alte Hasen gleichermaßen eine Herausforderung.
Nach dem Abendessen empfiehlt sich ein Spaziergang über die Wiesen, die hier als Koppeln für den Zuchthof Bornmühle angelegt worden sind. Edle Oldenburger Dressurpferde mit bestem Stammbaum sind vor weiter Kulisse zu bewundern. Im Hotel erfahren wir, dass Wanderritte mit verschiedenen Themen zu interessanten Orten der Umgebung angeboten werden. Dazu bereitet die Hotelcrew leckere Picknickkörbe vor, je nach Dauer der Ausritte mehr oder weniger opulent. Unbedingt vormerken: Das mit den Picknickkörben trifft übrigens auch zu, wenn man direkt über das Hotel Fahrräder oder Kanutouren bucht.

Fortbildungspause

Der anschließende Streckenabschnitt führt uns am nächsten Morgen zunächst durch Usadel, etwas weg vom See parallel zur Bundesstraße B96. Südlich des Dorfes liegt auf einer Anhöhe ein neu angelegter Rastplatz mit Aussicht über die Lieps. Hier wird mit großen Kartentafeln auf den benachbarten Radwanderweg »Eiszeitroute« von Neubrandenburg über Burg Stargard bis nach Feldberg verwiesen. Anschaulich in Bild und Text erfahren wir die Wirkung der letzten Eiszeit bei der Gestaltung der heutigen Landschaft. Noch spannender wird es an den Ufern der beiden Seen, wenn wir uns der Frühgeschichte und Sagenwelt zuwenden, die mit phantasievollen Nuancen die Geschichtsforschung ergänzt.
Zur Völkerwanderungszeit abgewanderte Germanenstämme und im Frühmittelalter eingewanderte slawische Stämme bildeten ein Siedlungszentrum im Schnittpunkt alter Handelsstraßen in Ufernähe. Ein altslawischer Burgwall im Naturschutzgebiet Nonnenhof (Bacherwall) und Hunderte jungslawische Fundplätze zeugen von den vergangenen Kulturen am Wasser.

Suche nach Rethra

Dann ist da noch die Suche nach Rethra, dem mystischen wendischen Heiligtum, das ebenfalls auf der Halbinsel zwischen den beiden Seen und auf der Fischerinsel vermutet wird. Geheimnisvolle Funde auf der Fischerinsel im Tollensesee, wie eine 178 Zentimeter hohe doppelköpfige hölzerne Kultfigur, die etwa 700 Jahre alt ist, lassen Sagen wie die folgende entstehen.
»In der Nähe der Stadt soll auf der Fischerinsel der Haupttempel der Redarier, Rethra, gestanden haben. Dessen Mittelpunkt bildete ein Standbild des Gottes Radegast aus reinem Gold. Es stand auf einer Säule, die ebenfalls aus Gold war. Die christlichen Sachsen unternahmen einen Kreuzzug gegen die Wenden, und nach harten Zeiten beugten sich die Enden der Feindesmacht und dem Christentum – jedoch nur widerwillig und scheinbar. Bei Gelegenheit wollten sie das fremde Joch abschütteln. Als das gelang, wurde ein Freudenfest gefeiert und ein junger Christ sollte dem Gott Radegast zum Dank geopfert werden. In ihrer Freude hatten die Feiernden vergessen, Wachposten aufzustellen, und plötzlich waren die Sachsen im Lande. Die Priester versuchten, das Götterbild zu retten, sie schafften es in einen tiefen Morast und versenkten es darin. Da liegt es heute noch, tief im Grunde des Blankenborg-Teiches.«
Aufgrund dieser Sage hat der Rethra-Forscher Oesten 1908 den besagten Teich abgelassen, aber vom Tempelschatz nichts gefunden…

Jagdschloss Prillwitz

Nach der etwas schaurigen Historie geht es in die südlichen Niederungen der Lieps, durch die Prillwitzer Tannen bis zum Jagdschloss Prillwitz. Der Abstecher durch den Ort rechterhand der Route bis zum Ufer der Lieps lohnt sich schon wegen der herrlichen Parkanlage, die direkt in Badewiese, Rastplatz und Anlegestelle am See endet. Hier finden wir, wie fast überall auf dem Rundweg, eine sensible Landschaftsgestaltung, die der Lage im Naturschutzgebiet Nonnenhof Rechnung trägt.
Die Kulturlandschaft des herrschaftlichen Parks geht harmonisch in die Uferwiesen über. Oft ist der Schilfgürtel ein natürlicher Zaun, und die altehrwürdigen Parkbäume berühren mit ihren Ästen den natürlichen Waldsaum des Ufers. Am Anleger für die Fahrgastschiffe – mit Sondergenehmigung für das Befahren der geschützten Lieps – hat man einen weiten Blick zu den drei kleinen Schilfinseln Kietz-, Binsen- und Hanfwerder und weiter bis zur Spitze Bacherwall der Halbinsel NSG Nonnenhof.
Das Jagdschloss Prillwitz selbst wurde im 18. Jahrhundert für den Großherzog von Mecklenburg-Strelitz auf einem frühdeutschen Burgberg erbaut. Gut erhalten aus den mondänen Zeiten der herzoglichen Jagdgesellschaften ist die holzgetäfelte Eingangshalle des Schlösschens. Heute kann der Besucher als Hotelgast oder Wandersmann Wildspezialitäten genießen oder durch den Park schlendern, wo Hängebauchschweine frei herumlaufen.

Alt Rehse

Alt Rehse überrascht durch sein baulich geschlossenes Dorf­ensemble von reetgedeckten Fachwerkhäusern. Es entstand in den 1930er Jahren und macht den Ort zu einem der schönsten Dörfer im Land. Die Reetdächer erinnern an eine alte Tradition seit dem Mittelalter. Solange schon wurde das Schilfrohr der Ufer und Verlandungsbereiche zum Decken der Häuser verwendet, aber auch zur Stabilisierung im Lehmfachwerk. Am Gutshof mit dem zum Tollensesee abfallenden Park wurde ein weiterer Naturlehrpfad angelegt.
Nach einem kurzen Spaziergang im Dorf ist Mittagseinkehr zu einheimischen Fischgerichten angesagt. Während der Mittagspause informieren wir uns, welche einheimischen Fische im See zu fangen gibt. Wir erfahren, dass hauptsächlich Aal, Hecht, Maräne und Barsch für die Neubrandenburger »Tollense-Fischerei« e G. gefangen werden.

Brodaer Holz

Nach dem köstlichen Mittagessen führt uns der Rundweg nun über Alt Meierhof wieder hinunter zum Uferweg, an einer natürlichen Badestelle vorbei, hinein in den kühlenden Schatten des Brodaer Holzes. Dieses ist mit fast 800 Hektar das größte zusammenhängende Waldgebiet am See mit einem sehr artenreichen Baumbestand. Den Tannenberg mit 62 Meter über dem Seespiegel lassen wir links oben liegen, uns zieht es zu einer bunten Zeltstadt auf der Landzunge Gatscheck. Der angenehm schattige Charakter des Waldes liefert sicher einen der Gründe für die Beliebtheit des Campingplatzes »Gatsch Eck«. Je nach Wetter und Bedarf stehen Sonnen- und Schattenplätze für Leinwandvillen oder Wohnwagen zur Verfügung.
Die Ruhe hier unmittelbar am Ufer paart sich mit der Badestrandromantik und den sportlichen Angeboten auf den Grünflächen. Außerdem gibt es einen Bootsanleger, auch für Ausflugsschiffe, und Tauchsportler finden den besonderen Kick in der alten Unterwasserruine der Torpedoversuchsstation.

Einmalige Aussicht vom Belvedere

Wer gern »ohne« badet, findet an der Landzunge Buchort einen gepflegten FKK-Strand. Wir versagen uns ein kühles Bad an diesem idyllischen Strand und fahren weiter bis zum Jahnstein, einem großen Findlingsfelsen auf einer vorstehenden Kuppe des Krähenberges. Er wurde 1928 dem Turnvater Friedrich-Ludwig Jahn gewidmet. Wer direkt vom Wanderweg am Seeufer kommt, muss 152 Stufen hinaufsteigen. Wir verschieben den Wunsch nach einem Bad im See erneut, denn zunächst steht noch ein weiterer Blick von einer Höhe auf dem Plan – das Belvedere.
Schon die weitverzweigte Herzogsfamilie derer von Mecklenburg-Strelitz fand überaus großen Gefallen an der faszinierenden Landschaft rund um den Tollensesee. So ließ Adolf Friedrich IV. bereits 1775 auf einem der Hügel im Brodaer Holz ein Sommerhaus namens Belvedere errichten. Der Platz war idyllisch, die Aussicht einmalig, nur der Bau hatte nicht lange Bestand. So erhielt Baumeister Buttel 1823 von Großherzogin Marie den Auftrag für ein neues Tee- und Sommerhaus im Stile eines griechischen Tempels.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es Gedenkstätte für die gefallenen Soldaten des Landes, verfiel aber mit den Jahren und wurde erst 1995 als offener Tempel restauriert und einer öffentlichen Nutzung übergeben. Neben der Aussicht genießen die Besucher hoch über dem See Konzerte und Theateraufführungen in den Sommermonaten. Ein Ausflug auch zu Fuß lohnt sich zu jeder Jahreszeit. Oft meint man, über dem See noch das Stimmengewirr des herzoglichen Hofstaates zu hören, der auf der Belvederehöhe lustwandelnd palaverte. Wieder in der Gegenwart angekommen, erfasst das Auge nur Kolonien von Wasservögeln, die sich schnatternd ihrers Lebens freuen.

Strandbad Broda

Unser Tagespensum ist bald geschafft. Nun kommt nach einer kurzen Strecke südlich am Ortsteil Broda vorbei endlich das Strandbad Broda. Wir freuen uns auf das saubere, klare Wasser. Vom Strand aus können wir bis zum Startpunkt unserer Tour hinüber schauen – dem Badehaus in der Nähe des Kulturparks. Das normale Menschengetümmel am Boots- und Fahrradverleih, unter den Sonnenschirmen der Gaststätte und auf dem Spielplatz wird uns bald wiederhaben. Noch genießen wir die Ruhe beim Schwimmen weit draußen auf dem See.
Die »Rethra«, ein weiteres Ausflugs-Linienschiff des Tollensesee, legt gerade ab in Richtung Ostufer. Wir wissen bereits, welche spannenden Orte die heutigen Fahrgäste auf zwölf Kilometer Länge an den Ufern erwarten werden, und wir sind ganz froh, dass wir als Pedalritter so viel Zeit eingeplant haben zum Schauen und Erleben!

Im Gleichgewicht

Resümierend wollen wir gern berichten, dass uns auf dem absolvierten Rundweg immer wieder eindrucksvolle Beispiele dafür begegneten, wie die lebendige Natur, die touristischen Bedürfnisse und die Aufarbeitung und Präsentation der Historie sensibel miteinander verknüpft wurden, ohne dass Einschnitte in das empfindliche Gefüge eines Sees mit seinen Uferbereichen vorgenommen worden sind. Das hat uns darin bestärkt, dieses Gewässer im Mecklenburgischen für erholsame und interessante Entdeckungen zu empfehlen.
Ziehen Sie also unbesorgt los in diese wilde wie auch gehegte Natur, alle Wege sind bestens ausgeschildert. Vielleicht suchen und forschen Sie auch ein bisschen im Verborgenen – denn Rethra wurde bis heute noch nicht am faszinierenden Tollen-sesee gefunden.

Barbara Pietzschmann, aus Seenland Ausgabe 2006

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Faszination Tollensesee
By |14,6 Minuten Lesezeit|2911 Wörter|Veröffentlich am: 28. April 2006|

Rund um den Tollensesee bei Neubrandenburg lassen sich Kultur und Natur mit dem Fahrrad entdecken.

Rund um den Tollensesee erbaute Mutter Natur ein paradiesisches Domizil aus den grünen Dächern von Eichen und Buchen, aus dem silbrig schimmernden Wellenteppich des Sees und aus der satten Palette spätsommerlicher Felder auf den umgebenden Hügeln. Beim Besuch in der Tollenseseeregion kamen wir sofort ins Schwärmen, denn wir fanden Ruhe in natürlicher Belebtheit, entdeckten Neues an alltäglichen Wegen und spürten herzliche Freundlichkeit im gemütlichen Mecklenburger Dialekt unserer Gastgeber. Überhaupt sind die Neubrandenburger wohltuend geduldig und bodenständig ihrem vor den Toren der Stadt still fließenden See tief verbunden.

Der ist, am Nordrand der Mecklenburgischen Seenplatte liegend, mit seiner 17,35 Quadratkilometer großen Fläche einer der größten Seen des Landes. Umgeben von hohen Hügeln eiszeitlicher Moränen erstreckt sich das Seebecken über 12 Kilometer Länge und erreicht bis zu 33 Meter in der Tiefe. Wir beschlossen, den Tollensesee im Spätsommer zu erkunden, an diesen ruhigen, sonnenschweren Tagen, die schon mit dem goldenen Herbst anbändeln.

Der Kulturpark

Vom Stadtzentrum kommend, empfiehlt sich der Einstieg in den 35 Kilometer langen Tollensesee-Radrundweg durch den Kulturpark. Er ist einer von vielen grünen und angenehm schattigen Oasen Neubrandenburgs, etwa 35 Hektar groß. Die Geschichte seiner Entstehung beginnt im Jahr 1820. Aus der ehemaligen Bruchlandschaft am Nordufer des Sees entstand im Laufe der Jahrzehnte ein Park, der direkt bis an die historische Innenstadt mit dem Stargarder Tor reicht.

In seiner heutigen Form stellt er ein einmaliges Zeugnis der Parkgestaltung des 20. Jahrhunderts dar. Neben ausgedehnten Wegenetzen, flankiert von modernen Skulpturen, gibt es Themengärten zu Rosen, Moorbeetpflanzen und Magnolien, ein Tiergehege und Spielplätze. Außerdem baute hier im Park das Land Mecklenburg-Vorpommern 1996 den modernsten Hallenkomplex für Sport- und Kulturveranstaltungen: das Jahnsportforum. Verführerische »Mudder Schulten«

Das Fahrgastschiff als alternative zum Fahrrad

Der Einstieg zum eigentlichen Rad- und Wanderrundweg beginnt für uns am Anleger der Fahrgastschifffahrt. Hier schaukelt die „Mudder Schulten“ sanft am Festmacher, während die Crew Oberdeck und Fahrgastraum für die nächsten Seefahrer gemütlich herrichtet. Aus der Kombüse duftet es verführerisch nach frischem Kaffee und süßem Backwerk. Aber wir bleiben standhaft, heute wird geradelt! Dennoch informieren wir uns am Aushang darüber, dass die „Mudder Schulten“ alle sehenswerten Ausflugspunkte ansteuert, die auch auf unserem Tourenplan stehen.

Wir radeln immer nahe am Ufer entlang. Das Glitzern des Sees durch alte Baumriesen und über den Schilfgürtel übt eine ganz besondere Faszination auf uns aus. Sehr reizvoll sind auch der Stargarder Bruch, durch den Linde- und Gätenbach sowie der Steepengraben zum See hin münden. Diese Zuflüsse, wie auch der später noch zu querende Nonnenbach gehören zum riesigen Wassereinzugsgebiet des Tollensesees, das Experten mit 515 Quadratkilometer angeben. Sowohl die zum See fließenden Bäche als auch der Tollensesee selbst bewässerten vor Jahrhunderten Neubrandenburgs mittelalterliche Wehranlagen. Zwei Wälle und drei Gräben sowie die 2,3 Kilometer lange Stadtmauer mit ihren Wiekhäusern und dem Fangelturm machten die Umflutung noch sicherer.

Wassersportzentrum

Unser nächster Haltepunkt ist das 1999 eröffnete Wassersportzentrum, eine moderne maritime Basis, die den Binnenwassersportler nichts vermissen lässt. Der Sportboothafen kann auf 140 Liegeplätze mit Trinkwasser- und Stromanschluss verweisen. Dazu findet man im langgestreckten Hauptgebäude vom Tretboot über den Ruderkahn bis zum Angelkutter mit Fishfinder oder der Yacht mit Skipper alles für den Bootsverleih, einen Anglershop, ein echtes Seebärenrestaurant und Sportlerunterkünfte. Zwischen den Uferbäumen wurde ein Caravanstellplatz eingerichtet. Wer ohne Fahrrad anreist, kann sich seinen Drahtesel hier sehr preiswert ausleihen, einschließlich Kinderrad, -anhänger oder -sitz.
Wir schauen uns im Hafen und auf der gepflegten Anlage um und entdecken auf einem Podest einen museal hergerichteten Originaltorpedo. Eine Schautafel erklärt uns den Zusammenhang: Weit draußen im See stand bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges eine Torpedoversuchsstation, ein dreigeschossiges Gebäude mit Beobachtungsturm. Heute erfasst unser Blick nur ein stark mit Gebüsch bewachsenes Inselchen weit vor der Hafeneinfahrt. Die Natur mit Erlen und Binsen hat sich die knapp aus dem Wasser ragenden Gebäudereste wieder zurückerobert – ein ausgesprochen friedliches Bild!

Augustabad

Nach einer kurzen Fahrstrecke durch ruhige Siedlungsstraßen erreichen wir den nächsten Höhepunkt des Rundkurses, das Augustabad. Schon zur frühen Vormittagsstunde wird uns sofort klar: die Neubrandenburger lieben ihre Strandbäder. Dieses ist sehr gut besucht, wie die Parkflächen für Fahrräder zeigen, aber wir bemerken keine Spur von mallorquinischer Gedrängtheit oder dem Sound rappelvoller Ostseestrände. Die Badegäste verteilen sich in der ausgedehnten Parkanlage mit schattigen Bäumen und ausgedehnten Rasenflächen oder direkt am Sandstrand. Dafür sind die Anlagen wie Trimm-dich-Pfad, Minigolf, Bocciarundbahn, Kinderspielgeräte und Grillplatz eher bevölkert.
Bei freiem Eintritt entrichtet man nur bei Bedarf für Schließfächer, Fahrrad- oder Spielgeräteverleih eine Gebühr. An ausgewiesenen Uferzonen wachen Schwimmmeister über die Sicherheit der großen und kleinen Badegäste. Vor einigen Jahren wurde das Augustebad mit der »Blauen Europa Flagge« für hervorragendes Umweltmanagement ausgezeichnet.
Aussicht von der Behmshöhe

Abgekühlt nehmen wir den nächsten Abschnitt bis zum Aussichtsturm in Angriff. Schon nach wenigen Metern Siedlungsstraße hat uns der tiefe, ruhige Wald des Nordostufers wieder, hier Nemerower Holz genannt. Ein verzweigtes Wegenetz führt durch den Mischwald, dominiert von alten Rotbuchen. Es wird hügelig, auch in Ufernähe. Die steilen Moränenhänge rücken enger an den See.

Start am Waldportal

Startpunkt aller ausgeschilderten Rad- und Wanderwege durch das Holz zwischen Augustabad und dem Dörfchen Klein-Nemerow ist das Waldportal. Hier weisen Infotafeln auf alles Wissenswerte hin und bieten auf einer Übersichtskarte die nötige Orientierung. So kann auch der Ortsunkundige beispielsweise die Suhlquelle finden, die der »Neubrandenburger Verschönerungsverein« um 1877 mit einer Einfassung versah. Nach 1945 in Vergessenheit geraten, wurde sie erst 1996 wiederentdeckt, entschlammt und neu hergerichtet. Auch zu »Rillensteinen« oder einem Hügelgrab wird man informativ geleitet. Ein Höhepunkt, auch im ganz wörtlichen Sinne, ist für uns der Aussichtsturm Behmshöhe.
Hoch über dem dicht bewaldeten Ufer erhebt sich das 34 Meter hohe Bauwerk des Turmes und gewährt nach 111 Treppenstufen einen atemberaubenden Blick über den Tollensesee, über das Meer aus alten Baumkronen bis zur Stadtsilhouette nach Norden hin. Den Turm initiierte 1897 der damalige »Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs« und konnte den fertigen Bau 1905 den Einwohnern und Gästen übergeben.

Leider verfiel das Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg, da große Teile des Nemerower Holzes zum militärischen Sperrgebiet erklärt wurden. Erst nach der Beendigung der militärischen Aktivitäten konnte der inzwischen auf die Landesdenkmalsliste gesetzte Turm restauriert und 1995 wieder als öffentliches Ausflugsziel genutzt werden.

Erholungspause

Bis zum Ortsteil Klein Nemerow bieten sich auf dem Uferweg zahlreiche Bänke zum Ausruhen und Schauen an, etwa in der Mitte dieser Wegstrecke auch das Schutzhäuschen »Alte Jagdhütte«, wo wir ein romantisches Picknick abhalten. Sobald sich vor Klein Nemerow der Wald lichtet, mündet der Radweg direkt an der Badewiese in den Naturlehrpfad ein, mit übersichtlichen Schrifttafeln zu Fauna und Flora dieses Landschaftsschutzgebietes. Aus unserer Karte erfahren wir, dass es noch zwei weitere Lehrpfade entlang des Ufers gibt: bei Tollenseheim und bei Alt Rehse. Beide werden wir nicht direkt befahren, Interessenten erreichen sie aber vom Radweg aus leicht zu Fuß.
Klein Nemerow ist ein schmuckes Erholungsörtchen am See, und obwohl es nicht weit von Neubrandenburger und Neustrelitzer Stadtzentrum entfernt liegt, bietet es dörfliche Idylle und Behaglichkeit. Hoch über dem Fahrgastschiff-Anleger thront das gemütliche »Seehotel Heidehof«. Das Hotel und weitere Pensionszimmer im Ort laden direkt zum längeren Verweilen ein. Wieder lassen wir die Räder kurz stehen und umrunden zu Fuß die historischen Ruinen der Johanniter-Comturei.

Bornmühle

In Richtung Bornmühle verändert sich das Streckenprofil, es wird noch hügeliger, der Weg windet sich vom steilen Ufer etwas weg über dem Heimchenberg und am Gnagelberg entlang, die 24 und 57 Meter über dem Seespiegel liegen. Das beschert uns wiederum schöne Aussichten. Allen, die für den landschaftlich wie kulturhistorisch geprägten Rundweg mehr als einen Tag Zeit mitgebracht haben, empfehlen wir das heutige Etappenende im Hotel »Bornmühle«.
Von hier aus spaziert es sich angenehm bis zum Naturschutzgebiet Nonnenhof, das als spitzes Landdreieck Tollensesee und Lieps voneinander trennt. Hier bietet sich auch ein Bad im See an. In unmittelbarer Nähe des Hotels erstreckt sich das noch junge Golfareal des Golfclubs Mecklenburg-Strelitz. Der 9-Loch-Kurzplatz mit Driving Ranch und Pratice Green ist wegen des Geländeprofils für Neueinsteiger wie für alte Hasen gleichermaßen eine Herausforderung.
Nach dem Abendessen empfiehlt sich ein Spaziergang über die Wiesen, die hier als Koppeln für den Zuchthof Bornmühle angelegt worden sind. Edle Oldenburger Dressurpferde mit bestem Stammbaum sind vor weiter Kulisse zu bewundern. Im Hotel erfahren wir, dass Wanderritte mit verschiedenen Themen zu interessanten Orten der Umgebung angeboten werden. Dazu bereitet die Hotelcrew leckere Picknickkörbe vor, je nach Dauer der Ausritte mehr oder weniger opulent. Unbedingt vormerken: Das mit den Picknickkörben trifft übrigens auch zu, wenn man direkt über das Hotel Fahrräder oder Kanutouren bucht.

Fortbildungspause

Der anschließende Streckenabschnitt führt uns am nächsten Morgen zunächst durch Usadel, etwas weg vom See parallel zur Bundesstraße B96. Südlich des Dorfes liegt auf einer Anhöhe ein neu angelegter Rastplatz mit Aussicht über die Lieps. Hier wird mit großen Kartentafeln auf den benachbarten Radwanderweg »Eiszeitroute« von Neubrandenburg über Burg Stargard bis nach Feldberg verwiesen. Anschaulich in Bild und Text erfahren wir die Wirkung der letzten Eiszeit bei der Gestaltung der heutigen Landschaft. Noch spannender wird es an den Ufern der beiden Seen, wenn wir uns der Frühgeschichte und Sagenwelt zuwenden, die mit phantasievollen Nuancen die Geschichtsforschung ergänzt.
Zur Völkerwanderungszeit abgewanderte Germanenstämme und im Frühmittelalter eingewanderte slawische Stämme bildeten ein Siedlungszentrum im Schnittpunkt alter Handelsstraßen in Ufernähe. Ein altslawischer Burgwall im Naturschutzgebiet Nonnenhof (Bacherwall) und Hunderte jungslawische Fundplätze zeugen von den vergangenen Kulturen am Wasser.

Suche nach Rethra

Dann ist da noch die Suche nach Rethra, dem mystischen wendischen Heiligtum, das ebenfalls auf der Halbinsel zwischen den beiden Seen und auf der Fischerinsel vermutet wird. Geheimnisvolle Funde auf der Fischerinsel im Tollensesee, wie eine 178 Zentimeter hohe doppelköpfige hölzerne Kultfigur, die etwa 700 Jahre alt ist, lassen Sagen wie die folgende entstehen.
»In der Nähe der Stadt soll auf der Fischerinsel der Haupttempel der Redarier, Rethra, gestanden haben. Dessen Mittelpunkt bildete ein Standbild des Gottes Radegast aus reinem Gold. Es stand auf einer Säule, die ebenfalls aus Gold war. Die christlichen Sachsen unternahmen einen Kreuzzug gegen die Wenden, und nach harten Zeiten beugten sich die Enden der Feindesmacht und dem Christentum – jedoch nur widerwillig und scheinbar. Bei Gelegenheit wollten sie das fremde Joch abschütteln. Als das gelang, wurde ein Freudenfest gefeiert und ein junger Christ sollte dem Gott Radegast zum Dank geopfert werden. In ihrer Freude hatten die Feiernden vergessen, Wachposten aufzustellen, und plötzlich waren die Sachsen im Lande. Die Priester versuchten, das Götterbild zu retten, sie schafften es in einen tiefen Morast und versenkten es darin. Da liegt es heute noch, tief im Grunde des Blankenborg-Teiches.«
Aufgrund dieser Sage hat der Rethra-Forscher Oesten 1908 den besagten Teich abgelassen, aber vom Tempelschatz nichts gefunden…

Jagdschloss Prillwitz

Nach der etwas schaurigen Historie geht es in die südlichen Niederungen der Lieps, durch die Prillwitzer Tannen bis zum Jagdschloss Prillwitz. Der Abstecher durch den Ort rechterhand der Route bis zum Ufer der Lieps lohnt sich schon wegen der herrlichen Parkanlage, die direkt in Badewiese, Rastplatz und Anlegestelle am See endet. Hier finden wir, wie fast überall auf dem Rundweg, eine sensible Landschaftsgestaltung, die der Lage im Naturschutzgebiet Nonnenhof Rechnung trägt.
Die Kulturlandschaft des herrschaftlichen Parks geht harmonisch in die Uferwiesen über. Oft ist der Schilfgürtel ein natürlicher Zaun, und die altehrwürdigen Parkbäume berühren mit ihren Ästen den natürlichen Waldsaum des Ufers. Am Anleger für die Fahrgastschiffe – mit Sondergenehmigung für das Befahren der geschützten Lieps – hat man einen weiten Blick zu den drei kleinen Schilfinseln Kietz-, Binsen- und Hanfwerder und weiter bis zur Spitze Bacherwall der Halbinsel NSG Nonnenhof.
Das Jagdschloss Prillwitz selbst wurde im 18. Jahrhundert für den Großherzog von Mecklenburg-Strelitz auf einem frühdeutschen Burgberg erbaut. Gut erhalten aus den mondänen Zeiten der herzoglichen Jagdgesellschaften ist die holzgetäfelte Eingangshalle des Schlösschens. Heute kann der Besucher als Hotelgast oder Wandersmann Wildspezialitäten genießen oder durch den Park schlendern, wo Hängebauchschweine frei herumlaufen.

Alt Rehse

Alt Rehse überrascht durch sein baulich geschlossenes Dorf­ensemble von reetgedeckten Fachwerkhäusern. Es entstand in den 1930er Jahren und macht den Ort zu einem der schönsten Dörfer im Land. Die Reetdächer erinnern an eine alte Tradition seit dem Mittelalter. Solange schon wurde das Schilfrohr der Ufer und Verlandungsbereiche zum Decken der Häuser verwendet, aber auch zur Stabilisierung im Lehmfachwerk. Am Gutshof mit dem zum Tollensesee abfallenden Park wurde ein weiterer Naturlehrpfad angelegt.
Nach einem kurzen Spaziergang im Dorf ist Mittagseinkehr zu einheimischen Fischgerichten angesagt. Während der Mittagspause informieren wir uns, welche einheimischen Fische im See zu fangen gibt. Wir erfahren, dass hauptsächlich Aal, Hecht, Maräne und Barsch für die Neubrandenburger »Tollense-Fischerei« e G. gefangen werden.

Brodaer Holz

Nach dem köstlichen Mittagessen führt uns der Rundweg nun über Alt Meierhof wieder hinunter zum Uferweg, an einer natürlichen Badestelle vorbei, hinein in den kühlenden Schatten des Brodaer Holzes. Dieses ist mit fast 800 Hektar das größte zusammenhängende Waldgebiet am See mit einem sehr artenreichen Baumbestand. Den Tannenberg mit 62 Meter über dem Seespiegel lassen wir links oben liegen, uns zieht es zu einer bunten Zeltstadt auf der Landzunge Gatscheck. Der angenehm schattige Charakter des Waldes liefert sicher einen der Gründe für die Beliebtheit des Campingplatzes »Gatsch Eck«. Je nach Wetter und Bedarf stehen Sonnen- und Schattenplätze für Leinwandvillen oder Wohnwagen zur Verfügung.
Die Ruhe hier unmittelbar am Ufer paart sich mit der Badestrandromantik und den sportlichen Angeboten auf den Grünflächen. Außerdem gibt es einen Bootsanleger, auch für Ausflugsschiffe, und Tauchsportler finden den besonderen Kick in der alten Unterwasserruine der Torpedoversuchsstation.

Einmalige Aussicht vom Belvedere

Wer gern »ohne« badet, findet an der Landzunge Buchort einen gepflegten FKK-Strand. Wir versagen uns ein kühles Bad an diesem idyllischen Strand und fahren weiter bis zum Jahnstein, einem großen Findlingsfelsen auf einer vorstehenden Kuppe des Krähenberges. Er wurde 1928 dem Turnvater Friedrich-Ludwig Jahn gewidmet. Wer direkt vom Wanderweg am Seeufer kommt, muss 152 Stufen hinaufsteigen. Wir verschieben den Wunsch nach einem Bad im See erneut, denn zunächst steht noch ein weiterer Blick von einer Höhe auf dem Plan – das Belvedere.
Schon die weitverzweigte Herzogsfamilie derer von Mecklenburg-Strelitz fand überaus großen Gefallen an der faszinierenden Landschaft rund um den Tollensesee. So ließ Adolf Friedrich IV. bereits 1775 auf einem der Hügel im Brodaer Holz ein Sommerhaus namens Belvedere errichten. Der Platz war idyllisch, die Aussicht einmalig, nur der Bau hatte nicht lange Bestand. So erhielt Baumeister Buttel 1823 von Großherzogin Marie den Auftrag für ein neues Tee- und Sommerhaus im Stile eines griechischen Tempels.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es Gedenkstätte für die gefallenen Soldaten des Landes, verfiel aber mit den Jahren und wurde erst 1995 als offener Tempel restauriert und einer öffentlichen Nutzung übergeben. Neben der Aussicht genießen die Besucher hoch über dem See Konzerte und Theateraufführungen in den Sommermonaten. Ein Ausflug auch zu Fuß lohnt sich zu jeder Jahreszeit. Oft meint man, über dem See noch das Stimmengewirr des herzoglichen Hofstaates zu hören, der auf der Belvederehöhe lustwandelnd palaverte. Wieder in der Gegenwart angekommen, erfasst das Auge nur Kolonien von Wasservögeln, die sich schnatternd ihrers Lebens freuen.

Strandbad Broda

Unser Tagespensum ist bald geschafft. Nun kommt nach einer kurzen Strecke südlich am Ortsteil Broda vorbei endlich das Strandbad Broda. Wir freuen uns auf das saubere, klare Wasser. Vom Strand aus können wir bis zum Startpunkt unserer Tour hinüber schauen – dem Badehaus in der Nähe des Kulturparks. Das normale Menschengetümmel am Boots- und Fahrradverleih, unter den Sonnenschirmen der Gaststätte und auf dem Spielplatz wird uns bald wiederhaben. Noch genießen wir die Ruhe beim Schwimmen weit draußen auf dem See.
Die »Rethra«, ein weiteres Ausflugs-Linienschiff des Tollensesee, legt gerade ab in Richtung Ostufer. Wir wissen bereits, welche spannenden Orte die heutigen Fahrgäste auf zwölf Kilometer Länge an den Ufern erwarten werden, und wir sind ganz froh, dass wir als Pedalritter so viel Zeit eingeplant haben zum Schauen und Erleben!

Im Gleichgewicht

Resümierend wollen wir gern berichten, dass uns auf dem absolvierten Rundweg immer wieder eindrucksvolle Beispiele dafür begegneten, wie die lebendige Natur, die touristischen Bedürfnisse und die Aufarbeitung und Präsentation der Historie sensibel miteinander verknüpft wurden, ohne dass Einschnitte in das empfindliche Gefüge eines Sees mit seinen Uferbereichen vorgenommen worden sind. Das hat uns darin bestärkt, dieses Gewässer im Mecklenburgischen für erholsame und interessante Entdeckungen zu empfehlen.
Ziehen Sie also unbesorgt los in diese wilde wie auch gehegte Natur, alle Wege sind bestens ausgeschildert. Vielleicht suchen und forschen Sie auch ein bisschen im Verborgenen – denn Rethra wurde bis heute noch nicht am faszinierenden Tollen-sesee gefunden.

Barbara Pietzschmann, aus Seenland Ausgabe 2006

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